Die heiligen drei Könige (by Sibylle)

Summary:  Die kleine nachweihnachtliche Geschichte spielt in der Nacht zum sechsten Januar 1846 auf der Ponderosa. Und beginnt damit, dass Adam aus dem Schlaf gerissen wird ….

(Erstveröffentlichung in der deutschen Bibliothek im Dezember 2011)

Rated: K+  WC 2300

Die heiligen drei Könige 

„Adam, schläfst du?“
„Ja!“
„Adam?“
„Nein!“
„Adam, bitte!“
„Was willst du, Hoss? Warum schläfst du nicht, es ist …. fast Mitternacht.“
„Ich kann nicht schlafen, Adam.“
„Du solltest vor dem Schlafen nicht so viele Plätzchen essen. Davon bekommt man Magendrücken.“
„Ach Adam, von Plätzchen habe ich noch nie Bauchweh gekriegt. Mich hat was geweckt.“
„Was soll dich wecken, du Bär im Winterschlaf!“ grummelte Adam in sein Kissen.
„Du bist gemein, ich bin doch wach!“
Adam gab den Gedanken auf, dass er einfach würde weiterschlafen können, sein 10-jähriger Bruder stand mitten in der Nacht barfüßig vor seinem Bett und schien so schnell nicht wieder gehen zu wollen.
„Setz dich her, Hoss. Was ist los?“ Adam rutschte ein wenig von der Bettkante weg, dass sein Bruder sich setzen konnte. Er reichte ihm die Wolldecke, die am Fußende seines Bettes lag und Hoss wickelte sich ein.
„Also, was ist los?“
„Ich höre die ganze Zeit Molly winseln.“
„Deine Hündin? Hast du sie mit ins Haus gebracht? Du weißt doch, dass Ma keine Tiere im Haus haben will.“
„Nein, habe ich nicht, aber ich habe sie trotzdem winseln gehört, immer wieder.“
„Hoss, das ist doch unmöglich. Bellen würde ja noch angehen, aber winseln? Das kannst du nicht hören von der Scheune bis hierher, das bildest du dir ein!“
„Ich bin aber wach geworden davon.“
„Dann hast du geträumt. Geh jetzt wieder in dein Bett und schlaf weiter.“
„Adam, wirklich, ich hab´ es gehört“, beharrte Hoss eigensinnig mit erhobener Stimme.
„Pssst, willst du denn das ganze Haus aufwecken?“
In diesem Moment hörten die zwei tappende Füße und eine kleine strubbelige Gestalt im Nachthemd lugte durch die halboffene Tür.
„Adam, es ist so hell in meinem Zimmer. Ich kann nicht mehr schlafen.“ Little Joe rieb sich mit den Fäusten die Augen.
„Wieso denn Joe? Der Mond scheint ein wenig, aber es ist doch nicht hell. Wahrscheinlich hat dich Hoss´ lautes Gerede geweckt.“ „Da siehst du´s, jetzt ist Joe auch noch wach, Hoss! Du mit deiner Schreierei.“ Adam warf Hoss einen verärgerten Blick zu.
„Nein Adam, ich bin nicht von Hoss wach geworden. Da ist ein heller Stern mit Zacken und einem Schwanz vor meinem Fenster. Ein Omet.“
„Joe, komm unter meine Decke, du erkältest dich ja. Wir haben den fünften Januar!“ Adam hielt seine Decke hoch und sein kleiner Bruder schlüpfte schnell darunter.
„Oh, Joe, sind deine Füße aber kalt“, schüttelte sich Adam, der jetzt glücklich seine beiden kleinen Brüder in seinem Bett versammelt hatte. Adam seufzte.
„Joe, du hast geträumt von dem Buch, das Ma dir vorgelesen hat, dort ist ja ein Komet abgebildet über der Krippe vom Jesuskind. In Wirklichkeit haben Sterne ja keine Zacken.“ Der 16-Jährige überlegte, wie er seine eigene naturwissenschaftliche Weltsicht seinem vierjährigen Bruder vermitteln könnte, ohne ihn zu sehr zu verwirren.
„Man malt sie nur so, damit sie einfach noch schöner ausschauen. Verstehst du, Joe. Sterne sehen ja aus wie Lichtpunkte, sie haben keine Zacken. Es gibt allerdings ganz, ganz selten mal welche, die einen Schweif haben. Außer Sternschnuppen natürlich.“
„Doch Adam, ich habe ihn gesehen den Omet mit Zacken und Schwanz. Er ist noch da, da draußen.“
„Unsinn, Joe.“
„Doch, Adam, ich kann ihn dir zeigen.“
„Wirklich, Joe? Ich wollte schon immer einen Kometen sehen“, schaltete sich jetzt Hoss ein, stand auf und zog den Vorhang des Fensters zur Seite.
Joe war jetzt nicht mehr zu halten. „Ich zeig ihn dir Hoss.“ Und schon standen die beiden Brüder vor dem Fenster und starrten hinaus. Die Nacht war nicht übermäßig kalt und die Scheiben waren nur an den Rändern gefroren. „Joe, ich sehe nur den Orion und den großen Wagen, keinen Kometen“, sagte Hoss nach einer Weile.
„Natürlich siehst du keinen, Hoss! Solche Kometen wie zum Beispiel der Halleysche, die kommen nur ungefähr alle 80 Jahre und ….“
„Ich hab ihn wohl gesehen“, unterbrach Joe ungerührt die wissenschaftlichen Ausführungen seines großen Bruders, „mein Fenster sieht in die andere Richtung, zur Scheune. Dort sieht man ihn genau.“
„Joe und Hoss, ich habe langsam genug von dem Blödsinn. Ich möchte jetzt wieder schlafen. Geht zurück in eure Betten und lasst mich endlich in Ruhe.“
Joe und Hoss sahen sich an. „O.k.“ „Nacht, Adam!“
Adam sah seinen Brüdern noch nach, wie sie sein Zimmer verließen und die Tür vorsichtig hinter sich zumachten und zog dann leise seufzend die Decke wieder über seine Ohren.
Eine Viertelstunde später merkte er, dass er hellwach war.
Er war unruhig, als Ältester war er es einfach gewohnt, sich verantwortlich zu fühlen.
Sie waren doch wohl hoffentlich wirklich ins Bett gegangen? überlegte Adam. Er hatte ein ungutes Gefühl. Entschlossen schwang er seine nackten Beine aus dem warmen Bett und tastete mit den Füßen nach seinen Hausschuhen. An der Tür zog er seinen Morgenmantel an, der dort an einem Haken hing, trotzdem fröstelte er. Es musste jetzt schon ein ganzes Stück nach Mitternacht sein.
Natürlich war weder Joe noch Hoss im Bett, er hatte es ja geahnt.
Adam schlich vorsichtig die Treppe hinunter. Was er jetzt bestimmt nicht auch noch brauchen konnte, war, dass seine Eltern wach wurden.
Das Wohnzimmer war leer, Adam ging zur Haustür. Die Tür stand einen Spalt offen. Im Neuschnee waren Fußspuren zu erkennen und in der Scheune nahm er einen flackernden Lichtschein wahr. Hoss würde doch nicht mit einer Kerze in die Scheune gegangen sein! Offenes Licht in der Scheune war etwas, das Pa fuchsteufelswild machen würde.
Adam dachte nicht länger darüber nach, dass er nur einen Morgenmantel und Hausschuhe trug, und lief im Laufschritt zur Scheune und zog das Tor so weit auf, dass er hineinschlüpfen konnte. Er folgte dem Lichtschein.
Hoss hatte doch so viel Verstand gehabt, dass er die Stalllaterne angezündet hatte und keine Kerze mit in die Scheune gebracht hatte.
Adam war erleichtert, bis er bemerkte, dass Hoss leise schluchzte.
„Hoss?“ fragte Adam vorsichtig.
„Ich glaub, Molly stirbt, Adam. Sie muss verletzt sein, hier ist Blut und sie kann nicht aufstehen.”
Hoss kniete in der leeren Box vor seiner schwarzen Mischlingshündin, die ihm sanft die Hand leckte. Little Joe stand neben Hoss und starrte wie versteinert auf seinen älteren Bruder und den Hund, den es sein ganzes Leben gegeben hatte.
Adam kniete sich ins Stroh. Die Hündin klopfte zur Begrüßung matt mit dem Schwanz auf den Boden. „Hoss, gib mir die Lampe, ich will schauen, ob ich erkennen kann, was ihr fehlt“, sagte Adam mit zitternder Stimme. Auch ihm ging es nahe, dass mit Molly etwas nicht stimmte.
Er leuchtete und tastete das Tier vorsichtig ab. Was war das an ihrem Bauch? Adam berührte die Stelle vorsichtig, dann fasste er etwas beherzter zu. Sein Gesicht hellte sich auf, als er hervorzog, was er gespürt hatte. Es war klein, blind und hatte ein ganz dünnes cremefarbenes Fell.
„Hoss, sie stirbt nicht, sie hat Babys bekommen!“ Adam hielt seinem Bruder den kleinen Welpen hin. Hoss schaute zunächst ungläubig, dann begann er über das ganze, runde Gesicht zu strahlen.
„Wie siehst du denn aus, Hoss? Warum bist du so schwarz im Gesicht?“
Hoss hielt in der einen Hand den Babyhund, mit der anderen wischte er sich durchs Gesicht, wodurch er die weißen Flecke unter seinen Augen etwas meht verschmierte.
„Schwarz? Keine Ahnung.“
„Voller Ruß oder Asche.“
„Ich hab nichts mit Ruß gemacht!“
„Warst du vielleicht am Kamin?“
„Ach so, ich habe einen Kienspan angezündet an der Kaminglut für die Lampe. Musste die Glut ein bisschen anblasen. Gibt es noch mehr Babys, Adam?“
Adam tastete weiter und brachte noch einen hellen Welpen zu Tage und einen, der die Farbe seiner Mutter hatte, kohlrabenschwarz, aber mit weißen Pfötchen.
„Es sind drei Stück, Hoss.“
„Darf ich auch einen halten?“
„Sei aber ganz, ganz vorsichtig, Joe. Du musst ihn locker halten, nicht quetschen“, dirigierte Adam Little Joe.
Der kleine Junge hielt den Atem an, als sein großer Bruder ihm den winzigen Hund in die Hand legte, er bemühte sich das kleine Wesen nicht zu fest zu greifen und sah Adam unsicher an, ob er es richtig machte. Adam lächelte ihm zu und Little Joe begann voller Stolz und Inbrunst das Hündchen sanft mit einem Finger zu streicheln.

Ben lief die Treppe hinunter. Unglaublich, keiner seiner Jungs war in seinem Bett! Er war von merkwürdigen Geräuschen wach geworden und hatte beschlossen, nach dem Rechten zu sehen. Vorsichtig war er mit einer abgeblendeten Lampe und seinem Revolver durchs obere Stockwerk geschlichen, bis er gemerkt hatte, dass alle seine Söhne aus ihren Betten verschwunden waren! Ob sie ein gemeinsamer Raubzug in die Küche aus dem Bett getrieben hatte? Er erinnerte sich, wie er mit seinem Bruder John in der Vorweihnachtszeit Plätzchen stibizt hatte. Andererseits – Adam war mit 16 Jahren zu alt, um mit seinem vierjährigen Bruder gemeinsam Dummheiten zu machen und, da Weihnachten schon vorbei war, musste eigentlich selbst Hoss´ Hunger auf Plätzchen gestillt sein. Doch er hatte ganz eindeutig etwas scheppern hören.
In der Küche war es dunkel und, als Ben hineinleuchtete, wurde ihm schnell klar, dass niemand drin war.
„Ben, was ist los?“ erklang es von hinten. Er drehte sich um:
„Marie, ich wollte dich nicht wecken. Ich suche nach den Jungs. Hier drin sind sie nicht! Sie werden sich doch nicht mitten in der Nacht draußen rumtreiben!“ Bens Stimme klang ärgerlich.
Marie guckte aus dem Küchenfenster. „Ich glaube, in der Scheune brennt ein Licht.“
„Na, denen werde ich was erzählen, mitten in der Nacht draußen rumzulaufen! Es reicht ja wohl, wenn sie tags Blödsinn machen, müssen sie jetzt auch noch die Nacht dazu nehmen!“
Ben öffnete energisch die vereiste Küchentür und stapfte dann in seiner eilig übergeworfenen Jacke und schnell übergestreiften Stiefeln hinaus in die Nacht, dicht gefolgt von Marie.

„Meinst du, Ma und Hop Sing werden böse sein, weil wir Molly was vom Sonntagsbraten abgeschnitten haben, Adam?“ fragte Hoss mit Blick auf eine weiße Schüssel, die er in der Hand hielt.
„Ich glaub nicht. Und wenn, lässt es sich jetzt eh nicht mehr ändern.“
„Wir geben ihr ja nur was von unserem Anteil ab oder? Sie braucht doch jetzt Kraftnahrung!“ hörten Ben und Marie Hoss und Adam debattieren, als sie leise durch das halb geöffnete Tor in die Scheune traten.
Marie hatte Ben eine Hand auf den Arm gelegt und sie näherten sich langsam und schweigend dem Lichtschein.
„Darf ich Molly auch was geben von meinem Anteil?“ fragte Joe und Hoss reichte ihm ein Stück Fleisch aus der Schüssel.
„Adam, das Fleisch ist doch auch nicht zu salzig, es war doch in so ´ner komischen Sauce?“
„Hop Sing hat es eingelegt, aber wir haben es ja gut abgewaschen. Und wir haben Molly genug frisches Wasser mitgebracht. Das ist o.k. so.“
Marie und Ben waren stehen geblieben und beobachteten die drei Jungen, die im Stroh um Molly herum saßen und ihr Fleischstücke fütterten und sie und die Welpen streichelten.
Marie sah zu Ben hoch und schüttelte langsam den Kopf und deutete den Gang zurück zur Tür. Ben nickte und folgte seiner Frau wieder hinaus und hinüber ins Haus.
„Ben, ich weiß nicht, aber sie hatten plötzlich so was an sich. Ich kann´s nicht erklären. Sie waren so ganz hingegeben und irgendwie so friedlich, so selbstverständlich. Ich hätte es einfach nicht ertragen, wenn du jetzt mit ihnen geschimpft hättest“, flüsterte Marie, als sie wieder im Wohnzimmer angekommen waren. Ben zog Marie an sich und gab ihr einen langen Kuss im Dunklen, die Lampe stand noch in der Küche. Dann führte er sie sanft zum Sofa, wo sie darauf warteten, dass ihre drei Jungs wieder reinkommen würden.
Nach einer guten Viertelstunde hörten sie Schritte und leise Stimmen, bevor sich die Tür langsam öffnete.
Herein trat zunächst Adam im Morgenmantel mit der Laterne, in deren Lichtschein Ben und Marie die Eintretenden erkennen konnten. Er hielt die Tür auf für Joe, der Adams Winterjacke wie einen langen Umhang mit Schleppe trug und einen leeren Wasserkrug in der Hand hielt. Ihm folgte Hoss, eingewickelt in eine Wolldecke, mit der emaillierten Schüssel in der Hand. Sein Gesicht war jetzt gleichmäßig grau, dafür hatte er es geschafft, dass auch seine Hände und Unterarme, die aus der Decke hervorsahen, grauschwarz waren.
Alle schlichen auf Zehenspitzen und flüsterten, relativ erfolgreich bemüht, leise zu sein.
Adam riegelte sorgfältig die Tür wieder zu.
„Na, ihr drei!“
Die Jungen erstarrten bei dieser Anrede. Joes Hand suchte unwillkürlich die seines ältesten Bruders und auch Hoss trat einen Schritt zu Adam zurück.
„Pa, wir …“ ergriff Adam nun das Wort, wie es von ihm als Ältestem erwartet wurde, als er bemerkte, dass ihr Vater ihnen zulächelte.
„Wieviele Welpen hat Molly denn bekommen?“
„Drei“, antwortete er überrascht.
„Alles Jungs“, fügte Hoss hinzu.
„Genau wie wir!“ grinste Joe und lief in die wartenden Arme seiner Mutter.
Adam sah seinen Vater fragend an, aber Ben zwinkerte ihm nur zu und lächelte.
In diesem Moment ging die Küchentür auf und Hop Sing trat heraus mit einem Tablett mit sechs Tassen heißem Kakao.
„Alle laufen lum nachts, nicht gut! Kakao machen wiedel walm und müde. Schnell tlinken und dann zulück in Bett.“
Hop Sing reichte den Kakao herum, bevor er sich selbst die letzte Tasse nahm.
„Danke, Hop Sing!“ tönte es mehrfach. Der heiße Kakao tat wirklich gut.
„Und habt ihr schon Namen für die Welpen?“ fragte Ben nach einer kleinen Weile, in der niemand gesprochen hatte, sondern jeder zufrieden nur damit beschäftigt war, das süße heiße Getränk zu schlürfen.
Alle drei schüttelten den Kopf.
„Ich wüsste welche“, sagte Marie leise und sah von einem ihrer Söhne zum anderen, bevor sie Ben anlächelte:
„Wie wäre es mit Kaspar, Melchior und Balthasar?“

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Author: Sibylle

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